Faktor-VII-Mangel – Störung des extrinsischen Gerinnungswegs

Definition und Ursache

Faktor VII ist ein Gerinnungsfaktor, der Vitamin‑K-abhängig in der Leber gebildet wird.1 Als einziger Gerinnungsfaktor zirkuliert er zu einem
geringen Anteil auch in aktivierter Form (FVIIa) im Blut.2

Nach einer Gefäßverletzung leitet FVIIa gemeinsam mit dem bei der Verletzung freigesetzten Tissue factor (Gewebefaktor – TF) den
extrinsischen Gerinnungsweg ein.3,2 Dadurch kommt es zur Aktivierung von FX zu FXa und letztlich über die gemeinsame Endstrecke der
Gerinnungskaskade zur Bildung eines stabilen Fibringerinnsels.2

Ein Mangel an FVII verhindert die Aktivierung der Gerinnungskaskade über den extrinsischen Weg und führt zu Blutungen, die sich auf die
Lebensqualität auswirken, Gelenkschäden hervorrufen und lebensbedrohlich sein können.2

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Ausschnitt aus der Gerinnungskaskade des Artikels zu Hämostase. Es zeigt sehr schön, dass der Tissue factor als Co-Faktor dient. (Quelle: DocCheck)

Ein Mangel an FVII kann angeboren oder erworben sein:2

  • Der erworbene FVII-Mangel tritt in der Regel in Kombination mit einem Mangel anderer Gerinnungsfaktoren und/oder Regulatoren auf, deren Bildung durch einen Leberschaden oder einen Vitamin-K-Mangel zusätzlich gestört ist oder wenn Erkrankungen mit hohem Vitamin-K-Verbrauch vorliegen.2
  • Der angeborene FVII-Mangel wird autosomal rezessiv vererbt und betrifft Männer wie Frauen.2 Die weltweite Prävalenz liegt bei 1:500.000, kann jedoch in Teilen der Welt, in denen eine Blutsverwandtschaft der Eltern häufiger vorkommt, höher sein.2 Bisher wurden mehr als 250 verschiedene Mutationen identifziert.2

Symptome

Die Symptomatik bei FVII‑Mangel ist sehr variabel und reicht von asymptomatischen Zuständen bis hin zu schweren lebensbedrohlichen
Blutungen:1

  • Die am häufigsten berichteten Blutungssymptome sind Nasenbluten (60 %), Zahnfleischbluten (34 %), leichte Blutergüsse (36 %), Menorrhagie (69 % der Betroffenen Frauen) sowie kleinere Blutungen wie Hämatome oder Hämaturie.2
  • Frauen mit Faktor‑VII-Mangel haben auch ein erhöhtes Risiko für postpartale Blutungen.1
  • Unter den schweren Formen sind ausgedehnte Blutergüsse und rezidivierende Hämarthrosen (jeweils 19 %) sowie gastrointestinale Blutungen (15 %) relativ häufig. Auch lebensbedrohliche Blutungen im zentralen Nervensystem (2,5 %) sind möglich.2 Schwere Blutungen treten in der Regel kurz nach der Geburt bzw. bei Säuglingen auf.1

Diagnose

In der Regel führen eine Laboruntersuchung nach Blutungen, ein Screening im Zusammenhang mit einer familiären Prädisposition oder ein
Zufallsfund zur Diagnose FVII‑Mangel.2

Bei schwerwiegenden Defekten treten Blutungen bereits im ersten Lebensmonat auf, das mittlere Alter für die Entdeckung eines vererbten
Defekts liegt jedoch bei 8 Jahren.2

Da das Fehlen von FVII mit dem Leben unvereinbar ist, gibt es keine Erkrankungsform, bei der Faktor VII vollständig fehlt.1 Als untere Normgrenze gilt eine FVII‑Aktivität von 70 %.2

  • Ein leichter FVII‑Mangel (FVII‑Aktivität > 20 %, aber < 70 %) ist weitgehend asymptomatisch und wird meist zufällig entdeckt.3
  • Ein mittelschwerer FVII-Mangel (FVII‑Aktivität 10-20 %) tritt in der Regel während der Pubertät auf, insbesondere bei Frauen während der Menarche.3
  • Ein schwerer FVII‑Mangel (FVII‑Aktivität < 10 %) zeigt sich meist in jungen Jahren.3

Eine isolierte Verlängerung der Prothrombinzeit (PT) bzw. ein niedriger Quick-Wert bei gleichzeitig normaler partieller Thromboalastinzeit (aPTT) ist Hinweis auf einen Faktor‑VII-Mangel.2 Zur genauen Diagnose lässt sich die FVII‑Aktivität bestimmen.2 Genetische Tests, vor allem bei positiver Familienanamnese, sind möglich.1

Therapie

Bei erworbenem FVII-Mangel steht die Behandlung der Primärerkrankung im Vordergrund.2

Zur Behandlung einer schweren akuten Blutungssymptomatik bei angeborenem FVII‑Mangel stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um den fehlenden oder minderwertigen Faktor zu substituieren.2

  • Rekombinanter Faktor VIIa (rFVIIa)
  • Plasmatisches Faktor VII‑Konzentrat
  • Gefrorenes Frischplasma (FFP, fresh frozen plasma)
  • Aktiviertes Prothrombinkomplex-Konzentrat (aPCC)

Leichte Formen sind in der Regel durch lokale hämostatische Mittel gut kontrollierbar.1

Im Gegensatz zu Hämoahilie ist eine Langzeitprophylaxe bei FVII‑Mangel nicht verbreitet.2 Dies liegt u. a. an der sehr kurzen Halbwertszeit von FVII und FVIIa (< 3 h).2 Langzeitprophylaxe kann geeignet sein für Patient:innen mit schweren Blutungen (Zentralnervensestem, gastrointestinale Blutungen) oder wiederkehrenden Gelenkblutungen.2

Referenzen

  1. Napolitano M, Siragusa S, Mariani G. Factor VII Deficiency: Clinical Phenotype, Genotype and Therapy. J Clin Med. 2017 Mar 28;6(4):38. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28350321/ (abgerufen am 05.09.2024).
  2. Sevenet PO et al. Factor VII Deficiency: From Basics to Clinical Laboratory Diagnosis and Patient Management. Clin Appl Thromb Hemost. 2017 Oct;23(7):703-710. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27701084/ (abgerufen am 05.09.2024).
  3. Tang H, Luan X, Li J, Jiang G, Zhen H, Li H, Xiang W, Zhou J. Novel heterozygous F7 gene mutation (c. C1286T) associated with congenital factor VII deficiency: A case report and literature review. J Clin Anal. 2022 May;36(5):e24349. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9102670/ (abgerufen am 05.09.2024).

EXA/DE/HG/0352