Familie gründen

Kinderwunsch mit einer Blutgerinnungsstörung

Auch mit einer erblichen Blutgerinnungsstörung wie der Hämophilie oder dem Von Willebrand-Syndrom (VWS) ist es möglich, eine Familie zu gründen. Selbst wenn Ihr Kind von der Erkrankung betroffen sein sollte, gibt es heutzutage gute Behandlungsmöglichkeiten, die ein weitgehend normales Leben ermöglichen.1

Früh informiert – gut vorbereitet

Wenn Sie selbst von einer Blutgerinnungsstörung betroffen sind, werden Sie sicher die eigenen Erfahrungen bei Ihren Überlegungen, eine Familie zu gründen, mit einbeziehen. Vielleicht hatten Sie bisher auch nur durch eine oder einen Verwandten Berührungspunkte mit der Erkrankung und fragen sich, inwiefern diese Sie bei Ihrer Familienplanung beeinflussen könnte. In beiden Fällen lohnt es sich für Sie und Ihren Partner bzw. Ihre Partnerin, sich vorab ärztlich beraten zu lassen. In einem Gerinnungszentrum werden Sie umfassend über die Erkrankung, ihren Vererbungsweg, aktuelle Therapieoptionen sowie Anlaufstellen für Betroffene informiert.

Wann Sie abklären lassen, ob Ihr Kind die Erkrankung erben könnte beziehungsweise geerbt hat, ist ganz allein Ihre Entscheidung. Vor einer Schwangerschaft kann eine humangenetische Beratung durchgeführt werden. Es gibt in Deutschland mehrere Zentren, die auf die Diagnostik und Behandlung seltener Erkrankungen spezialisiert sind.2 Während einer Schwangerschaft können Sie sich für pränataldiagnostische Untersuchungen entscheiden. Ihre Gynäkologin bzw. Ihr Gynäkologe kann Sie zu beiden Optionen beraten.3 Bedenken Sie dabei, dass die vorgeburtliche Diagnostik nur ermitteln kann, ob Ihr Kind betroffen sein könnte – nicht aber, wie stark die Erkrankung ausgeprägt sein wird.3

Nach der Geburt Ihres Kindes kann anhand einer Blutprobe aus der Nabelschnur untersucht werden, ob es an einer Blutgerinnungsstörung erkrankt ist. Dabei werden auch Faktoren untersucht, die die Ausprägung der Erkrankung zeigen.4

Unabhängig vom Zeitpunkt der Diagnose sind entsprechende Vorbereitungen ratsam, wenn bei Mutter und/oder Kind ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Damit sowohl Schwangerschaft als auch Geburt für Sie und Ihr Kind möglichst sicher verlaufen, sollten Sie sich Unterstützung durch Expert:innen für Hämostaseologie holen. Informieren Sie Ihre Gynäkologin bzw. Ihren Gynäkologen und Ihre Hebamme sowie alle anderen involvierten Behandler:innen über die (potenzielle) Erkrankung. Wählen Sie möglichst eine Geburtsklinik, die Erfahrung mit Blutgerinnungsstörungen hat. Alle Geburtshelfenden sollten informiert und gut vorbereitet sein, um eventuellen Komplikationen vorbeugen zu können.5

Der Umgang mit seltenen Blutgerinnungsstörungen sowie das Bewusstsein dafür haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt.6 Mit Ihren Fragen und Sorgen können Sie sich an das erfahrene Fachpersonal im Gerinnungszentrum oder an die Patientenorganisationen (s. unten) wenden. Es ist völlig normal, sich angesichts dieser Themen zunächst verunsichert oder überfordert zu fühlen. Bedenken Sie, dass Sie diese Herausforderung nicht allein stemmen müssen und dass bereits viele andere Eltern mit derselben Situation konfrontiert waren.

Familie-gründen_Austauschen und vernetzt

Austauschen und vernetzen

Die Familienplanung bzw. die erste Zeit mit einem Baby, das eine Gerinnungsstörung hat, kann mit emotionalen Belastungen verbunden sein – z. B. mit Schuldgefühlen, die Genmutation vererbt zu haben, oder Unsicherheit bei der Frage, wie der Alltag zu gestalten ist. Hier kann der Austausch mit anderen Patient:innen und Familien sehr wertvoll sein. Das weiß auch Carmen, die einen Sohn mit Hämophilie hat und selbst vom VWS betroffen ist: "Wenn man allein mit sich in einer ‘Hämophilie-Blase‘ ist, hat man das Gefühl, von niemandem verstanden zu werden, niemand weiß, wie man sich fühlt." Der Kontakt zu Betroffenen unterschiedlicher Altersgruppen, der Austausch von Erfahrungen und Tipps können Ängste abbauen, Sorgen nehmen und neue Perspektiven aufzeigen. "Spricht man mit Betroffenen, deren Kinder älter als das eigene Kind sind, ist es manchmal ein wenig wie ‘Kartenlegen bei einem Wahrsager‘ – man erkennt Parallelen, manches könnte dann so eintreffen, aber man weiß, dass man das eigene Schicksal so oder so selbst in der Hand hat", berichtet Carmen. Es gibt eine große Community, die sich in zahlreichen Kanälen vernetzt. Davon können auch Sie profitieren und sich ein Bild vom Leben mit der Erkrankung machen.

Die Patientenverbände organisieren jährlich Veranstaltungen, um Betroffene und ihre Angehörigen zu unterstützen. Dazu gehören Familientreffen, Wochenendfreizeiten für Väter und Söhne oder Events für Konduktorinnen. Nähere Informationen zu den Terminen finden Sie auf den Webseiten der Interessengemein chaft Hämophiler e. V. (IGH) und Deutschen Hämophiliegesellschaft e. V. (DHG).

Referenzen

  1. Bidlingmaier, C. et al.: Ein Kind mit Hämophilie. Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten (DHG) e. V. (Hrsg.). Oktober 2020. Verfügbar unter: https://www.dhg.de/fileadmin/dokumente/sonderdrucke/Ein_Kind_mit_Haemophilie.pdf (abgerufen am 13.09.2024).
  2. Frauenärzte im Netz: Humangenetische Beratung,
    Stand: 02.05.2018. URL: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/diagnostik/praenatale-diagnostik/humangenetische-beratung/ (abgerufen am 13.09.2024).
  3. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) - familienplanung.de : Was ist Pränataldiagnostik?,
    Stand: 20.07.2023. URL: https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/die-schwangerschaft/praenataldiagnostik/was-ist-praenataldiagnostik/ (abgerufen am 13.09.2024).
  4. Srivastava, A. et al.: WFH Guidelines for the Management of Hemophilia, 3rd edition.Haemophilia. 2020:00: 1-158.
    Verfügbar unter: https://doi.org/10.1111/hae.14046 (abgerufen am 13.09.2024).
  5. Galen, K. van: Europäische Behandlungsprinzipien für Frauen und Mädchen mit erblich bedingter Blutungsneigung. Haemophilia. 2021; 27:837-847.
    Verfügbar unter: https://doi.org/10.1111/hae.14379 (abgerufen am 13.09.2024).
  6. Barthels, M. et al.: Hämophilie. Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten (DHG) e. V. (Hrsg.). Dezember 2015.
    Verfügbar unter: https://www.dhg.de/fileadmin/dokumente/sonderdrucke/Haemophilie.pdf (abgerufen am 13.09.2024).
EXA/DE/HG/0361