Frauen und das Von-Willebrand-Syndrom

Leitsymptom: Menorrhagie

Bei etwas jeder fünften Frau, die mit einer Menorrhagie (starke und verlängerte Menstruation) gynäkologisch vorstellig wird, liegt die Ursache in einer erhöhten Blutungsneigung. Eine Menorrhagie liegt vor, wenn der Blutverlust insgesamt größer als 80 ml ist oder der Menstruationsschutz ein bis zwei Stunden gewechselt werden muss.1

Oft ordnen betroffene Frauen ihre Menstruation selbst nicht als ungewöhnlich stark ein, vor allem wenn in der Familie weitere Frauen ähnliche starke Blutungen haben.2 Daher sollte im Rahmen der Blutungsanamnese ein besonderes Augenmerk auf die Blutungsstärke gelegt werden. Im Fokus stehen dabei besonders Blutungen während der Menarche (erste Regelblutung) und während der Übergangsphase in die Perimenopause (Wechseljahre) sowie Ovulationsblutungen (Eisprung).3

Im Laufe ihres Lebens erlebt eine Frau durchschnittlich 450 Menstruationszyklen, die bei Patientinnen mit dem Von-Willebrand-Syndrom (VWS) jedes Mal mit einer hämostatischen Herausforderung verbunden sind.3 Diese in der Regel monatlich auftretenden Blutungen können sowohl die Lebensqualität als auch die allgemeine Gesundheit der Betroffenen negativ beeinflussen.4 Viele Frauen leiden aufgrund der Blutverluste z. B. unter Eisenmangel sowie eine durch Eisenmangel bedingte Anämie.4

Die Diagnose des VWS wird bei Frauen durchschnittlich im Alter von 8 bis 16 Jahren gestellt. Anlass ist häufig das erste Auftreten der Menstruation.3 Als Gründe für späte Diagnosestellungen sehen Expert:innen:

  • Symptome werden nicht erkannt
  • Systematische Familienerhebungen fehlen
  • Bewusstsein unter Ärzt:innen ist noch nicht ausreichend vorhanden
  • Betroffene nehmen an, starke Regelblutungen seien in der eigenen Familie normal3

Weitere Informationen zum Thema Diagnostik finden Sie hier.

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Patientenbloggerin Ines berichtet in Ihrem Blog, dass Sie Ihre Von-Willebrand-Diagnose erst im Alter von 37 Jahren erhielt. In ihren Clips berichtet sie außerdem von ihren Erfahrungen mit ihrer Blutgerinnungsstörung und gewährt inspirierende Einblicke in ihren bunten, sportlichen Alltag.

Schwangerschaft und Geburt

Neben starken Menstruationsblutungen besteht bei Frauen mit VWS das Risiko von verstärkten Blutungen im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt eines Kindes.2 Dazu zählen auch übermäßige und/oder verlängerte Blutungen bei Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüchen.3

Eine Schwangerschaft geht normalerweise mit einer Hyperkoagulabilität (erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes) einher. Dies dient physiologisch dazu, den peripartalen Blutverlust zu verringern und führt zu einer Steigerung des Von-Willebrand-Faktors (VWF) und des Faktors VIII.Nach der Entbindung kommt es zu einem starken Abfall des VWF-/Faktor-VIII-Komplexes.Dadurch steigt das Risiko für übermaßige Blutungen. Bei VWS-Patientinnen, insbesondere des Typ 2 und 3, ist das Risiko eine peripartalen Blutung mehr als dreifach erhöht.Bei 20 % bis 25 % der VWS-Patientinnen treten abnorme sekundäre postpartale Blutungen (24 Stunden bis 12 Wochen nach der Entbindung) auf.Die betreuende Hebamme sollte daher informiert werden, dass verstärkte Nachblutungen im Wochenbett auftreten können.Eine peripartale Blutung liegt laut Weltsundheitsorganistaion (WHO) dann vor, wenn eine Frau innerhalb von 24 Stunden mehr als 500 ml Blut nach einer vaginalen Entbindung oder mehr als 1.000 ml nach einem Kaiserschnitt verliert.

Vertiefende Informationen und hilfreiche Tipps finden Sie auch im Kapitel Familienplanung.

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Für eine adäquate medizinische Betreuung von Frauen spielen die präzise Diagnose von Gerinnungsstörungen und die sorgfältige Bewertung der Blutungssymptome eine wichtige Rolle. Effektive Behandlungsoptionen, die die Lebensqualität von Frauen mit Gerinnungsstörungen erheblich verbessern können, stehen zur Verfügung.1

Weitere Informationen zu Therapieoptionen finden Sie hier

Referenzen

  1. James PD. Women and bleeding disorders: diagnostic challenges. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2020 Dec 4;2020(1):547–552. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7727580/pdf/bloodbook-2020-547.pdf
  2. Weyand AC, Flood VH. Von Willebrand Disease: Current Status of Diagnosis and Management. Hematol Oncol Clin North Am. 2021 Dec;35(6):1085-1101. doi: 10.1016/j.hoc.2021.07.004. Epub 2021 Aug 13. PMID: 34400042; PMCID: PMC8919990 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34400042/
  3. Galen van, Europäische Behandlungsprinzipien für Frauen und Mädchen mit erblich bedingter Blutungsneigung. Haemophilia. 2021;27:837-847. https://doi.org/10.1111/hae.14379.
  4. Connell NT et al., ASH ISTH NHF WFH 2021 guidelines on the management of von Willebrand disease; Blood Adv (2021) 5 (1): 301–325. https://ashpublications.org/bloodadvances/article/5/1/301/474884/ASH-ISTH-NHF-WFH-2021-guidelines-on-the-management
  5. Kaiserberg von et al. Gerinnungsstörungen in der Geburtshilfe. In: Die Geburtshilfe. 6. Auflage, 2024, Springer Reference Medizin.
  6. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG). S2k-Leitlinie Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie. Stand August 2022. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-063, abgerufen am 16.10.2023.

EXA/DE/VWD/0003