Derzeit werden Hämophilie A und B meist mithilfe der Faktorsubstitution (Ersetzen des fehlenden Gerinnungsfaktors) behandelt. Dabei wird der jeweils benötigte Gerinnungsfaktor intravenös injiziert, um die Hämostase (Blutgerinnung) zu unterstützen. Diese Behandlung kann sowohl on demand (bei Bedarf) als auch prophylaktisch erfolgen. Bei einer moderaten bis schweren Hämophilie ist die regelmäßige Prophylaxe unerlässlich.4
Hierfür stehen zum einen plasmatische (aus Blutplasma gewonnene), zum anderen rekombinante (biotechnologisch hergestellte) Faktorpräparate zur Verfügung.4
Durch die prophylaktische Therapie soll ein Faktor-Talspiegel von 3 % bis 5 % oder höher erreicht werden.4 Die Art des Faktors, wie häufig und in welcher Dosis dieser in der Prophylaxe zu verabreichen ist, wird individuell festgelegt und ist u. a. von der Restfaktoraktivität abhängig.4 Therapierelevant ist auch, wie schnell der Körper des Patienten das Medikament verstoffwechselt. Dies kann sehr unterschiedlich sein und hat einen großen Einfluss darauf, wie lange der gewünschte Faktorspiegel bei einer Person erhalten bleibt.6 Auch benötigt ein Mensch, der körperlich sehr aktiv ist, möglicherweise häufiger höhere Plasmaspiegel, um etwa beim Sport gut geschützt zu sein. Auch Alter, Gewicht und Lebensstil des Patienten spielen eine Rolle.4
Die verwendeten Faktorpräparate unterscheiden sich unter anderem in ihrer Wirkdauer. Faktorpräparate mit Standard-Halbwertszeit (Standard half-life – SHL) werden mehrmals pro Woche appliziert.4 In Faktorpräparaten mit verlängerter Halbwertszeit (Extended half-life – EHL) wurde der Faktor so modifiziert, dass er langsamer abgebaut wird. Somit sind weniger Infusionen erforderlich, um einen angemessenen Blutungsschutz zu bieten oder bei gleich häufiger Anwendung höhere Talspiegel erreichen zu können. Dadurch gewinnen Patienten an Flexibilität im Alltag und Zuversicht bei körperlichen Aktivitäten.4
Eine weitere Therapieoption bei Hämophilie A ist die Anwendung eines bispezifischen monoklonalen Antikörpers. Emicizumab ist kein Gerinnungsfaktor, kann aber die Funktion von FVIII imitieren. Diese sogenannte Non-Faktor-Therapie wird in der Prophylaxe subkutan angewendet, ist aber für die Behandlung akuter Blutungen nicht geeignet.4
Inzwischen stehen auch erste Gentherapien für Betroffene mit schwerer Hämophilie A und Hämophilie B zur Verfügung. Für diese Behandlung müssen Patienten jedoch bestimmte Kriterien erfüllen, u. a. dürfen sie keine Hemmkörper aufweisen und müssen eine gute Leberfunktion besitzen.4,7
Bei der Hemmkörper-Hämophilie bildet der Körper Inhibitoren gegen den von außen zugeführten Gerinnungsfaktor, sog. Allo-Antikörper.4 Derzeit ist die Immuntoleranz-Therapie (ITI) die einzige bewährte Behandlungsstrategie.8 Dabei soll die regelmäßige Substitution des Gerinnungsfaktors VIII (FVIII) dazu führen, dass dieser extern verabreichte Gerinnungsfaktor dauerhaft angenommen wird. Bei hohen Antikörper-Titern werden parallel dazu hämostatische Medikamente verordnet, die Blutungen durch Bypassing (Umgehen) der klassischen Gerinnungskaskade stoppen können.8
Bei der erworbenen Hämophilie A (Aquired hemophilia A – AHA) entstehen Hemmkörper, die sich gegen den körpereigenen FVIII richten, sog. Auto-Antikörper.9 Im Blutungsfall muss die Therapie stationär erfolgen. Sie nutzt spezielle Gerinnungsfaktoren, Bypassing-Therapien oder einen bispezifischen Antikörper, der die Funktion von FVIII nachahmt.9 Zusätzlich werden Medikamente eingesetzt, die den Hemmkörper eradizieren (beseitigen).9